Psychologie der Trauer

Trauer ist aus psychologischer Perspektive ein Verarbeitungsprogramm von existenziell bedeutsamen Verlusterlebnissen.

Trauern beschreibt den menschlichen Umgang mit der Verlustsituation beim Tod eines Menschen. Jeder geht seinen individuellen Weg der Anpassung an die veränderte Lebenslage, wenn ein wichtiger Mensch stirbt.

  • Trauer kann schwerwiegend werden, wenn der Tod plötzlich, etwa durch einen Unfall oder durch Suizid eingetreten ist. Selbsttötung hinterlässt zutiefst fragende, verunsicherte, schockierte Menschen. Oft ist Trauer um Suizid behandlungsbedürftig.
  • Manchmal treten Trauersymptome anhaltend auf, ohne sich in ihrer Intensität zu ändern. Sie beeinträchtigen das Leben des Trauernden erheblich. Die klinische Psychologie spricht dann von anhaltender Trauer, die behandlungsbedürftig ist.
  • Antizipierte Trauer
    Beim Sterbenden: Er verzichtet auf Vieles, was bisher lebenswert war. Er ahnt oder begreift, dass das Leben dem Ende zugeht. Der Ausblick auf den Verlust der Lebensmöglichkeiten und wichtigen Bindungen löst Trauer aus. Psychotherapie kann den Sterbenden stabilisieren. Der Sterbende lernt, dass seine Trauer zum letzten Leben gehört (Zuversicht in der Trauer Sterbender, in: NOVAcura (2024), 55/3, S. 56 – 58).  Er kann psychoedukativ zur angemessenen Kommunikation über seine Trauer angeleitet werden.
    Bei Angehörigen und Zugehörigen des Sterbenden: Der Sterbeweg ruft oft schon während des letzten Lebens Trauer hervor. An- und Zugehörige erleben den auf sie zukommenden Verlust im Rückzug des Sterbenden, in dessen menschlichen Veränderungen. Im Rahmen einer hospizlichen Begleitung hilft Psychoedukation den Trauernden, die Empfindungen realistisch einzuschätzen und konstruktiv mit dem Sterbenden zu kommunizieren.
  • Ignorierte Trauer: Zunehmend wird die kulturelle Diversifizierung der Trauer durch die Migrationsbewegungen und die soziale Anpassung der Trauerarbeit durch die Veränderung der sozialen Strukturen in unserer Gesellschaft notwendig.  „Sozialraumorientierung“ auch der Trauerarbeit ist hospizlich zu denken. (Praxis Palliative Care Nr. 56/2022, S. 18 f.)
  • Trauer der Enkel:innen: Die demographischen Daten des deutschen Alterssurvey’s 2014 und 2020 zeigen, dass Enkelkinder und Großeltern aufgrund der Altersentwicklung bei Senior:innen viel gemeinsame Lebenszeit miteinander verbringen. Die Bindung zwischen den Generationen wird von beiden Seiten überwiegend als lebenswichtig angesehen. Immer häufiger sterben die Großeltern, wenn die Enkel:innen bereits erwachsen sind. Das wirkt sich auf die hospizliche Trauerarbeit aus. Enkelkinder erleben die altersbedingten Veränderungen ihrer Großeltern bis in den Sterbeprozess hinein und begleiten sie darin zuweilen. Eine lebenstragende, existenziell gefüllte Bindung geht mit dem Tod der Großeltern verloren (Praxis Palliative Care Nr. 64/2024, S. 19). Hospizliche Trauerbegleitung muss zunehmende Aufmerksamkeit für die Trauer erwachsener Enkelkinder entwickeln und sich diesem oft einschneidenden Bindungsverlust auf neue Weise stellen (Praxisbeilage zur Praxis Palliative Care 64/2024, 12 Seiten).