Embodied Ethics

Ethik in der Hospizarbeit wird als Bewertungssystem orientierender und normativer Interaktionen zwischen dem Sterbenden als Betroffenem und den Beteiligten an seiner Situation verstanden.

Ethik vollzieht sich als fortlaufender Prozess bewusster Orientierung und normativer Bewertung. Dabei finden die ethischen Subjekte körperliche „Weiser“ in sich, die auf Unterbrechungen der Norm hinweisen. Unterbrechungen führen zur Desorientierung und Krisensituationen.

  • Embodied Ethics setzt Embodiment für die frühe Wahrnehmung ethischer Unterbrechungserfahrungen ein. Die Wahrnehmung sog. körperlicher „Weiser“ wird durch Embodiment sensibilisiert. Jene ermöglichen, aufbauend auf der Weisheit des Körpers, in Worten Unaussprechliches wahrzunehmen und zum Ausdruck zu bringen. Die Körperweisheit lädt Bewegungen, Verspannungen, Körperempfindungen mit Botschaften für den Betroffenen auf. Ein Sterbender fühlt sich in einer Situation nicht mehr wohl, verspürt motorische Unruhe, erleidet Kontrakturen, erlebt unwillkürliche Vermeidungsbewegungen. Dies können noch vor der kognitiven Wahrnehmung liegende „Weiser“ für ethische Unterbrechungen in seiner Lage sein: Vermeidungsabsichten, Unaufrichtigkeit, Bedrohung durch Wahrheit oder Fakten. „Weiser“ zeigen zuweilen das unmittelbare Bevorstehen des Todeseintritts an. Auch der Sterbewunsch kann durch „Weiser“ angedeutet werden. Häufig verspüren Sterbende solche „Weiser“ und können die Botschaften nicht verständlich übersetzen.
  • „Weiser“ können als körperliches Frühwarnsystem für Unterbrechungen des gelingenden ethischen Lebens verstanden werden. Embodied Ethics vermittelt dem Sterbenden und den Umsorgenden Möglichkeiten, bei der Wahrnehmung von „Weisern“ zu unterstützen und dabei zu helfen, die Empfindung der „Weiser“ in verbal-sprachliche Kommunikation zu übersetzen.
  • Vgl. dazu: Riedel, C. & Bögner, F. (2021): Embodied Care. Teil 1 (Grundlagen und Übungen zur Selbstreflexion), in: PPC Nr. 52  / Praxismaterial; Teil 2: Handlungsfelder und Anwendung in der Praxis, in: PPC Nr. 53 / Praxismaterial